Kein Adventskalender...

...aber vielleicht ein kleines Weihnachts- (Silvester-) Geschenk für Eure Hunde?!

Überraschung! Wie jedes Jahr steht auch dieses Jahr Silvester am Ende des Jahres plötzlich vor der Türe. Und wie jedes Jahr beschäftigt das viele Hundehalter schon im Vorfeld. Denn viele Hunde sind davon überzeugt, dass an Silvester ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden und ihnen der Himmel doch noch auf den Kopf fällt. Dass der Himmel das noch nie getan hat, beruhigt auch nicht, denn Himmel sind ja bekanntlich unberechenbar. 

Furcht und Angst

Bei der Silvesterangst handelt es sich übrigens wirklich um eine Angst, und nicht um eine Furcht. Furcht ist immer an ein Objekt oder eine Situation gebunden, und wird gesteuert von den Hormonen aus dem Nebennierenmark, also dem Fluchthormon Adrenalin und dem Kampfhormon Noradrenalin. Entsprechend ist die Reaktion die sogenannte Fight-or-Flight-Reaktion. Anders bei der klassischen Stressreaktion: sie ist nicht an eine bestimmte Situation oder ein Objekt geknüpft, beteiligt ist hier das Stresshormon Cortisol aus der Nebennierenrinde. Klingt in Bezug auf Silvester komisch? Ist aber so! Denn der Hund kann die Geräusche, die Lichtblitze und den Geruch nicht zuordnen, für ihn ist es also keine konkrete Situation und kein konkretes Objekt. Das ist auch der Grund, warum selbst für geräuschempfindliche Hunde ein vor ihnen auf den Fliesenboden knallender Topfdeckel oft kaum Probleme macht. Er kann das Geräusch zuordnen und entsprechend reagieren (Fight or Flight), das kann er beim Feuerwerk nicht. Das ist übrigens auch dafür verantwortlich, dass Probleme mit Geräuschen mit steigendem Lebensalter oft schlimmer werden: die Sinnesorgane, auch das Gehör, funktionieren nicht mehr so gut, und der Hund kann Geräusche dann nicht mehr so gut zuordnen. 

Oropax

Was also tun, um dem Hund den Jahreswechsel erträglicher zu machen?
Nicht jeder hat die Möglichkeit, Silvester zu flüchten und es irgendwo in der Walachei, fernab von Menschen und Feuerwerk zu verbringen. Trotzdem kann man Silvester in gewissem Rahmen aussperren bzw. vom Hund fernhalten. Daran, die Rollläden runter zu lassen, denken viele. Aber bei den meisten Hunden sind es vor allem die Geräusche, die die Probleme verursachen und die Angst auslösen. Und auch hier kann man das Gröbste mit einem einfachen Trick vom Hund fernhalten. Mein Dönertierchen wurde an Silvester immer gut eingepackt: erst habe ich Watte in die Ohren gepackt (Oropax ist für Hundeohren nicht geeignet), dann darum mehrfach einen dicken Schal gewickelt und das Ganze dann mit selbsthaftendem Verband befestigt. Sie fühlte sich mit diesem modifizierten Kopfverband deutlich wohler. Zusätzlich kann man Musik anmachen – bestimmte Musikarten, wie zB ruhige Klassik, haben zusätzlich eine beruhigende Wirkung auf Hunde. 

Soziale Unterstützung

Ganz wichtig ist es, für den Hund da zu sein! Den immer wieder gerne gegebenen Vorschlag, den ängstlichen Hund zu ignorieren, weil man sonst die Angst verstärkt, kann man getrost mit den Böllern ins Universum schicken. Ein kleines, aber feines Hormon, das Bindungs- und Beziehungshormon Oxytocin, der „hormonelle Sozialkleber“, wird nicht nur um die Geburt herum verstärkt gebildet, um die Wehen einzuleiten und den Milcheinschuss zu ermöglichen, und ist an Bindungen beteiligt, sondern ist auch ein wichtiger Gegenspieler der Stresshormone. Oxytocin senkt also Stress. Gebildet wird es unter anderem auch bei Blickkontakt oder Berührungen. Wenn der Mensch seinen ängstlichen Hund ignoriert,  vernachlässigt er also nicht nur seine Pflichten der Gefahrenerkennung und -abwehr sträflich, sondern er hält ihm auch diesen wichtigen Stresskontrahenten vor. Wichtig ist es also, für den Hund da zu sein, ihn sich anlehnen zu lassen, wenn er es wünscht, und ihm gegebenenfalls eine Entspannungsmassage zugute kommen zu lassen - wenn er sich denn gerne anfassen lässt. Das ist aber natürlich von Hund zu Hund unterschiedlich, denn es gibt auch Hunde, für die das Anfassen oder Streicheln zusätzlichen Stress bedeutet. Wichtig ist es auch, selbst ruhig zu bleiben (ich gehe mal davon aus, dass die wenigsten Menschen unter Geräuschangst an Silvester leiden), denn das Zauberwort heißt hier Stimmungsübertragung. Hunde spiegeln uns, und das kann ein Vor- oder auch ein Nachteil sein, je nachdem wie der Mensch in bestimmten Situationen reagiert. 

Nahrungsergänzungsmittel

In Fällen leichter Probleme an Silvester kann man es zusätzlich mit Nahrungsergänzungsmitteln versuchen. Zylkene zum Beispiel, ein hydrolysiertes Milchprotein, kann Stress dämpfen, ebenso wie die Aminosäure Tryptophan, die in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten, und Grundsubstanz des ausgleichenden Botenstoffes Serotonin ist. Es gibt weitere Möglichkeiten, über die Nahrung Einfluss zu nehmen. Aber bei einem Hund, der wirklich in Panik gerät, wird man auch damit nicht weit kommen. Hier hilft oft nur noch die Einflussnahme über Medikamente. Und dazu rate ich in diesen Fällen auch, weil man dem Tier so viel Stress ersparen kann und auch verhindert, dass die Probleme mit Geräuschen immer größer werden, weil sich Nervenverbindungen im Gehirn stabilisieren. Außerdem wird man, wenn man mit seinem Hund eine mühsame Desensibilisierung gegen Geräusche macht, wieder an den Ausgangspunkt zurückgeworfen, wenn der Hund dem Feuerwerk ausgesetzt ist, und man das nicht verhindern kann. Man geht direkt ins Gefängnis, nicht über Los, bekommt auch nicht 2000 Euro, fängt dafür aber wieder von vorne an... 

Medikamente

Und hier sind wir an einem ganz wichtigen Punkt: viele Tierärzte verschreiben für Silvester den Wirkstoff Acepromazin (Handelsname zB Sedalin). Acepromazin führt durch seine zentral psychomotorische Hemmung zur verminderten Erregbarkeit und verminderten Motorik mit Erschlaffung der Muskulatur, wobei das Bewusstsein nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Im Klartext bedeutet das, dass das Tier zwar alles noch (etwas gedämpft) mitbekommt, sich aber durch die verminderte Motorik nicht mehr „wehren“ kann. Wer auch nur einen Funken Empathie besitzt, kann sich vorstellen, was für eine Hölle das ist! Darum ist es jedes Jahr wieder an der Zeit darüber aufzuklären, dass dieser Wirkstoff für Silvester absolut ungeeignet ist!
Besser geeignet sind in Fällen starker Geräuschangst an Silvester sogenannte Benzodiazepine, das sind Valium-Derivate. Sie wirken anxiolytisch, das heißt durch eine hemmende Wirkung auf das Limbische System und auf den Hirnstamm, wo Angst entsteht, angstlösend, indem sie die Wirkung des beruhigenden Neurotransmitters GABA im ZNS verstärken. Allerdings gibt es, wie bei jedem Medikament, auch Fälle paradoxer Wirkung, so dass es sinnvoll ist, vor Silvester ohne auf das Tier einwirkende Stressoren einen „Probelauf“ in geringer Dosis zu machen, um auszuschließen, dass das Tier paradox reagiert. Zu den Nebenwirkungen zählen unter anderem „Fressflashs“ und eine Enthemmung, so dass mit dieser Medikamentengruppe bei potentiell aggressiven Tieren vorsichtig umgegangen werden muss. Wenn das aber nicht der Fall ist, rate ich bei Hunden mit massiver Silvesterangst/-panik tatsächlich zur Anwendung von diesen Präparaten. Das Medikament sollte ein paar Tage vor Silvester ein- und ein paar Tage danach wieder ausgeschlichen werden. Zu Anwendung, Kontraindikationen und Dosierungen ist der behandelnde Haustierarzt zu befragen! 

Nach diesem kurzen Überblick über die Möglichkeiten, der Silvesterangst beim Hund zu begegnen, bleibt mir nur, allen Hunden und ihren Haltern einen ruhigen und für beide gleichermaßen stressfreien Jahreswechsel und einen guten Rutsch zu wünschen!
Ich habe das Glück, einen Hund zu haben, der Feuerwerk toll findet und es mit großen Augen bestaunt („endlich mal was geboten!“), und zwei, für die die Welt und Feuerwerk in Ordnung ist, wenn ich in der Nähe bin. Wir sehen dem Ganzen dieses Jahr also sehr gelassen entgegen....